Montag, 10. November 2008

Lernverständnis

Zunächst einmal die Frage, was sind eigentlich Lerntheorien? Ich verstehe Lerntheorien als das Produkt der wissenschaftlichen Erkenntnisse der Lernpsychologie, welche sich mit den psychologischen Vorgängen (Erwerb, Verarbeitung, Speicherung) des Lernens, sowie mit den dabei ablaufenden kognitiven Prozessen beschäftigt. Dabei steht die Disziplin in engem Zusammenhang mit der Verhaltensforschung, der Neurobiologie und der Hirnforschung. Anwendung finden die Erkenntnisse dann in der pädagogischen Psychologie und der Didaktik.

Lerntheoretisch lassen sich derzeit drei große Richtungen festmachen:

- Behaviorismus

- Kognitivismus

- Konstruktivismus

Für die Schule galten bis in die 1960er Jahre behavioristische Lerntheorien. Angefangen mit Pawlows klassischer Konditionierung (19.Jh.), über Watsons Verhaltenstheorie Anfang des 20. Jahrhunderts bis hin zu Skinners operanten Konditionierung, die dann ab den 60er Jahren durch das Lernen am Modell weitergeführt wurden. Die Interessenlage der Forscher wechselte sich in den ausgehenden 60er Jahren hin zum Kognitivismus. Man bezeichnet diese Neuorientierung auch als kognitive Wende, die sich dem individuellen Lernen zuwendet. Unter anderem auf den Theorien Piagets aufbauend steht seitdem das Finden des eigenen Lernweges im Mittelpunkt. Genüge getan wurde dieser Denkweise mit der Öffnung des Unterrichts. Welche aus dreierlei Herangehensweisen gerechtfertigt werden kann. Die erste lernpsychologisch und didaktisch begründet durch das Kriterium der "Passung" von Aufgaben im Unterricht auf den Entwicklungsstand des Kindes (Heckhausen 1968; 1972; Aebli 1969); die zweite erkenntnistheoretisch und entwicklungspsychologisch begründet durch eine konstruktivistische Sicht von Lernen (Piaget 1970/1973; Glasersfeld 1995); die dritte bildungstheoretisch und politisch begründet durch das Kriterium der Selbständigkeit als Ziel und Bedingung schulischen Lernens (Dewey 1916/64; Heymann 1996).
Seit den 1990er Jahren wird zunehmend davon ausgegangen, dass Wissen nur in einem aktiven Konstruktionsprozess beim Lernenden mit situativem Kontextbezug entstehen kann.
Daraus entstand das Konzept des situierten Lernens, dass sich je nach Autor mehr oder minder an den Konstruktivismus als Erkenntnistheorie anlehnt. Die konstruktivistische Lerntheorie des interaktionistischen Konstruktivismus (nach Reich) plädiert insbesondere für Lernformen, in denen der Lehrer nicht bloß Wissensvermittler, sondern ein Lernprozessberater oder Lernbegleiter ist. Wichtig ist immer, unabhängig der gewählten Methode, die Transferfähigkeit des Wissens, es muss nachhaltig nutzbar sein und daher aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts findet der Konstruktivismus zunehmenden Eingang in die Methodikdiskussion. Vornehmlich Anwendung findet er in der Erwachsenen-, und Berfufsbildung, dies liegt meines Erachtens darin begründet, dass diese im Gegensatz zur Primar- und Sekundarschule, ein relativ freier Herrschaftsraum ist und sich daher auch innovative Methoden besser durchsetzen. Insgesamt gesehen erfolgt in Deutschland ein Umstellungsprozess weg von instruktionistischen hin zu konstruktivistischen Verfahren in allen Schultypen und Fächern. Doch eine konsequente Umsetzung aus den Erkenntnissen der modernen Lern-/Wissenspsychologie kann ich noch nicht feststellen.

Die wichtigsten Merkmale des Lernverständnisses einer neuen Lernkultur, die sicherlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben und stetig erweitert werden müssen, sind:

- Lernen ist ein eigenaktiver und konstruktiver Vorgang

- Lernen ist lebenslang Aufgabe

- Lernen findet auch außerhalb der Schule statt

- Informelles Lernen bietet viel Potenzial

- Lernen ist ein ganzheitlicher Prozess

- Lernen ist eigenverantwortlich

- Selbstverantwortetes Lernen braucht geeignete (individuelle) Hinführungen

- Lerninhalte müssen auf Sinnhaftigkeit und Anschlussfähigkeit geprüft werden

- Lernen muss selbstreflexiv sein

Freu mich auf Eure Kommentare
Tina

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