Neue Lernkultur ist ein bisweilen nicht klar definierter Begriff, dessen historisches Fundament sich auf verschiedene Strömungen beruft und unterschiedliche Ausformungen kennt. Bei einer neuen Lernkultur handelt es sich nicht um ein Konzept, geschweige denn eine Methode, die man dann eins zu eins in den Schulalltag übertragen kann und damit alle Probleme löst. Vielmehr geht es darum traditionelle, institutionalisierte Formen des Lernens zu erweitern und innovative und kreative Lernformen zu entwickeln. In der Literatur findet man den Begriff vor allem im Zusammenhang mit E-learning, neuen Medien und Unternehmensweiterbildung.
Manch einer mag sich fragen, warum eine Neuorientierung institutionalisierten Lernens überhaupt gebraucht wird. Dazu gibt es vielfältige Argumente, von denen hier nur einige in Kürze dargestellt sein sollen. Die gesamte Menschheit findet sich auf Grund von politischen, kulturellen, sozialen und technologischen Einflüssen in einer weitreichenden Umbruchssituation, die auf verschiedenen Ebenen Veränderungen mit sich bringt und mit wachsender Dynamik voranschreitet. Großen Einfluss auf unser Zusammenleben haben die Globalisierung der Wirtschaft und die Einführung immer neuer Technologien. Nicht zu unterschätzen die explosionsartige Vermehrung des Wissens, die sich kumulativ entwickelt. Bereits Klafki hat mit seinen epochaltypischen Schlüsselproblemen gezeigt, dass wir bestimmte Kompetenzen, er nennt sie Allgemeinbildung, brauchen, um den Anforderungen unserer Zeit begegnen zu können. Zu den Fragen unserer Zeit gehören u.a.: die Friedensfrage, die gesellschaftlich bedingte Ungleichheit, Die Problematik des Nationalitätsprinzip, das Verhältnis der hoch- zu den unterentwickelten Ländern, die Umweltfrage, die Gefahren und Möglichkeiten neuer Technologien und die wachsende Weltbevölkerung. Diese Veränderungen haben natürlich auch Einfluss auf die Lebenswelt von Kindern. Somit lassen sich Lebenskonzepte, welche für eine Generation gültig waren, nur bedingt auf die nächste übertragen. Allein durch die Wissensexplosion der letzten Jahrzehnte kann sich die Schule nicht mehr auf reine Wissensweitergabe begrenzen. Vielmehr steht die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen für den Umgang mit einem sich ständig erweiternden gesellschaftlichen Wissen im Vordergrund. Schlüsselkompetenzen gehen über den reinen Wissenserwerb hinaus, vielmehr sind damit Fähigkeiten zur Bewältigung komplexer Anforderungen gemeint, z.B. psychosoziale Ressourcen wie Selbstbewusstsein, Teamzusammenhalt, gegenseitige Unterstützung oder Kooperationsfähigkeit, einschließlich kognitiver Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen. Besonders wichtig ist es uns aber zu betonen, dass es beim Erwerb von Wissen darum geht, ein anschlussfähiges, nachhaltiges und transferierbares Wissen zu erlangen. Dem gegenüber steht das so genannte träge Wissen, ein Wissen also das zwar abstrakt verstanden ist, in konkreten Situationen aber nicht eingesetzt werden kann, da der Übertrag des Wissens auf das Handeln nicht funktioniert. Wahrscheinlich kennen die meisten von Euch dies, z.B. wenn ihr Euch an den Fremdsprachenerwerb erinnert. Ein paar Vokabeln für den Test ins Kurzzeitgedächtnis gespeichert und dann im nächsten Frankreichurlaub maximal noch ein Bier bestellen können, denn darin habt Ihr vermutlich schon beim Lernen die Sinnhaftigkeit erkannt. Nachlesen könnt Ihr das bei Hans Gruber, Heinz Mandl, Alexander Renkl: Was lernen wir in Schule und Hochschule: Träges Wissen? (Forschungsbericht Nr. 101). München: Ludwig-Maximilians-Universität, Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie, 1999
Wie lassen sich nun also Kompetenzen definieren? Laut der Kultusministerkonferenz von 2004 beschreiben Kompetenzen „Dispositionen zur Bewältigung bestimmter Anforderungen“. Mir persönlich besser gefällt die Definition von Klieme (2004): Kompetenzen stellen eine Verbindung zwischen Wissen und Können her. Laut OECD-Bildungsminister umfassen Kompetenzen Wissen, Fertigkeiten, Einstellungen und Wertvorstellungen.
Im Rahmen des DeSeCo-Projekts (Definition and Selection of Competencies) hat die OECD mit zahlreichen Wissenschaftlern, Experten und Organisationen zusammengearbeitet, um auf der Grundlage von theoretischen und konzeptionellen Erkenntnissen einen Fächer von Schlüsselkompetenzen zu bestimmen. Diese lassen sich in drei Kompetenzbereiche einteilen. Erstens sollten Menschen in der Lage sein, verschiedene Medien, Hilfsmittel oder Werkzeuge (Tools) wie z.B. Informationstechnologien oder die Sprache wirksam einzusetzen. Sie sollten diese „Tools“ gut genug verstehen, um sie für ihre eigenen Zwecke anpassen und interaktiv nutzen zu können. Zweitens sollten Menschen in einer zunehmend vernetzten Welt in der Lage sein, mit Menschen aus verschiedenen Kulturen umzugehen und innerhalb sozial heterogener Gruppen zu interagieren. Drittens sollten Menschen befähigt sein, Verantwortung für ihre Lebensgestaltung zu übernehmen, ihr Leben im größeren Kontext zu situieren und eigenständig zu handeln. Zusammenfassend lassen sich: Methoden-, Sozial-/Kommunikative und Persönliche Kompetenz herausstellen.
Ich hoffe es ist klar geworden, dass die Vielfalt der Anforderungen an jeden Mitbürger auch mit einer ähnlichen Vielfalt an Lernwegen, denen die Menschen folgen können, beantwortet werden muss. Es geht also um die individuelle Herangehensweise und nicht um die eine Methode. Es gilt, das Potenzial jedes Einzelnen zu wecken bzw. zu erhalten und dafür bedarf es einer neuen Kultur des Lernens.
Ich begreife den Begriff für mich in zweierlei Hinsicht. Das Lernen in Lernkultur bezeichnet für mich die Umkehr von einer Lehr-Lern-Tradition hin zu einem Arbeiten, in dem der Lernende im Mittelpunkt steht. Und dies nicht nur im Sinne von „das Kind da abholen wo es steht“ und das WO es steht selbst festlegen sondern ein wirkliches Mitbestimmen der Schüler, ihre individuellen Bedürfnisse ernst nehmen und ihre Lernwege inklusive ihrer Fehler akzeptieren. Lernen kann in einer neuen Lernkultur auch ohne Lehren geschehen, und das ist das wirklich Neue daran. Hierzu erzählen wir aber später noch mehr. Kultur meint etwas dynamisches, lebendiges, was durch den Menschen gewachsen ist, das der Pflege bedarf und gestaltet, nicht aber technisch hergestellt werden kann.
Zu den wichtigsten Aspekten einer neuen Lernkultur wie wir sie verstehen gehört:
- Die Erkenntnis, dass Wissen nicht transportiert sondern nur eigenaktiv konstruiert werden kann und daher eine reine Instruktionsschule kein nachhaltiges Wissen hervorbringt.
- Die Anerkennung das man immer lernt/lernen kann, also auch außerschulisches, informelles Lernen von Bedeutung sind.
- Ein verändertes Rollenverständnis von Lehrern und Schülern: Eigenverantwortliche Lerner und Lernbegleiter (später mehr).
- Der Einsatz vielfältiger Methoden und der daher notwendige Blick über den Tellerrand um den Lernern ein eigenverantwortliches und aktives Lernen zu ermöglichen.
- Um den vielfältigen Kompetenzansprüchen gerecht zu werden, die Ermöglichung des Umgangs mit vielfältigen Medien und die Offenheit stetiger Erweiterung.
- Die Nutzung vielfältiger Lernorte und unterschiedlicher Experten.
Also dann viel Spaß beim Lernen
Tina
Montag, 10. November 2008
Lernverständnis
Zunächst einmal die Frage, was sind eigentlich Lerntheorien? Ich verstehe Lerntheorien als das Produkt der wissenschaftlichen Erkenntnisse der Lernpsychologie, welche sich mit den psychologischen Vorgängen (Erwerb, Verarbeitung, Speicherung) des Lernens, sowie mit den dabei ablaufenden kognitiven Prozessen beschäftigt. Dabei steht die Disziplin in engem Zusammenhang mit der Verhaltensforschung, der Neurobiologie und der Hirnforschung. Anwendung finden die Erkenntnisse dann in der pädagogischen Psychologie und der Didaktik.
Lerntheoretisch lassen sich derzeit drei große Richtungen festmachen:
- Behaviorismus
- Kognitivismus
- Konstruktivismus
Für die Schule galten bis in die 1960er Jahre behavioristische Lerntheorien. Angefangen mit Pawlows klassischer Konditionierung (19.Jh.), über Watsons Verhaltenstheorie Anfang des 20. Jahrhunderts bis hin zu Skinners operanten Konditionierung, die dann ab den 60er Jahren durch das Lernen am Modell weitergeführt wurden. Die Interessenlage der Forscher wechselte sich in den ausgehenden 60er Jahren hin zum Kognitivismus. Man bezeichnet diese Neuorientierung auch als kognitive Wende, die sich dem individuellen Lernen zuwendet. Unter anderem auf den Theorien Piagets aufbauend steht seitdem das Finden des eigenen Lernweges im Mittelpunkt. Genüge getan wurde dieser Denkweise mit der Öffnung des Unterrichts. Welche aus dreierlei Herangehensweisen gerechtfertigt werden kann. Die erste lernpsychologisch und didaktisch begründet durch das Kriterium der "Passung" von Aufgaben im Unterricht auf den Entwicklungsstand des Kindes (Heckhausen 1968; 1972; Aebli 1969); die zweite erkenntnistheoretisch und entwicklungspsychologisch begründet durch eine konstruktivistische Sicht von Lernen (Piaget 1970/1973; Glasersfeld 1995); die dritte bildungstheoretisch und politisch begründet durch das Kriterium der Selbständigkeit als Ziel und Bedingung schulischen Lernens (Dewey 1916/64; Heymann 1996).
Seit den 1990er Jahren wird zunehmend davon ausgegangen, dass Wissen nur in einem aktiven Konstruktionsprozess beim Lernenden mit situativem Kontextbezug entstehen kann.
Daraus entstand das Konzept des situierten Lernens, dass sich je nach Autor mehr oder minder an den Konstruktivismus als Erkenntnistheorie anlehnt. Die konstruktivistische Lerntheorie des interaktionistischen Konstruktivismus (nach Reich) plädiert insbesondere für Lernformen, in denen der Lehrer nicht bloß Wissensvermittler, sondern ein Lernprozessberater oder Lernbegleiter ist. Wichtig ist immer, unabhängig der gewählten Methode, die Transferfähigkeit des Wissens, es muss nachhaltig nutzbar sein und daher aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts findet der Konstruktivismus zunehmenden Eingang in die Methodikdiskussion. Vornehmlich Anwendung findet er in der Erwachsenen-, und Berfufsbildung, dies liegt meines Erachtens darin begründet, dass diese im Gegensatz zur Primar- und Sekundarschule, ein relativ freier Herrschaftsraum ist und sich daher auch innovative Methoden besser durchsetzen. Insgesamt gesehen erfolgt in Deutschland ein Umstellungsprozess weg von instruktionistischen hin zu konstruktivistischen Verfahren in allen Schultypen und Fächern. Doch eine konsequente Umsetzung aus den Erkenntnissen der modernen Lern-/Wissenspsychologie kann ich noch nicht feststellen.
Die wichtigsten Merkmale des Lernverständnisses einer neuen Lernkultur, die sicherlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben und stetig erweitert werden müssen, sind:
- Lernen ist ein eigenaktiver und konstruktiver Vorgang
- Lernen ist lebenslang Aufgabe
- Lernen findet auch außerhalb der Schule statt
- Informelles Lernen bietet viel Potenzial
- Lernen ist ein ganzheitlicher Prozess
- Lernen ist eigenverantwortlich
- Selbstverantwortetes Lernen braucht geeignete (individuelle) Hinführungen
- Lerninhalte müssen auf Sinnhaftigkeit und Anschlussfähigkeit geprüft werden
- Lernen muss selbstreflexiv sein
Freu mich auf Eure Kommentare
Tina
Lerntheoretisch lassen sich derzeit drei große Richtungen festmachen:
- Behaviorismus
- Kognitivismus
- Konstruktivismus
Für die Schule galten bis in die 1960er Jahre behavioristische Lerntheorien. Angefangen mit Pawlows klassischer Konditionierung (19.Jh.), über Watsons Verhaltenstheorie Anfang des 20. Jahrhunderts bis hin zu Skinners operanten Konditionierung, die dann ab den 60er Jahren durch das Lernen am Modell weitergeführt wurden. Die Interessenlage der Forscher wechselte sich in den ausgehenden 60er Jahren hin zum Kognitivismus. Man bezeichnet diese Neuorientierung auch als kognitive Wende, die sich dem individuellen Lernen zuwendet. Unter anderem auf den Theorien Piagets aufbauend steht seitdem das Finden des eigenen Lernweges im Mittelpunkt. Genüge getan wurde dieser Denkweise mit der Öffnung des Unterrichts. Welche aus dreierlei Herangehensweisen gerechtfertigt werden kann. Die erste lernpsychologisch und didaktisch begründet durch das Kriterium der "Passung" von Aufgaben im Unterricht auf den Entwicklungsstand des Kindes (Heckhausen 1968; 1972; Aebli 1969); die zweite erkenntnistheoretisch und entwicklungspsychologisch begründet durch eine konstruktivistische Sicht von Lernen (Piaget 1970/1973; Glasersfeld 1995); die dritte bildungstheoretisch und politisch begründet durch das Kriterium der Selbständigkeit als Ziel und Bedingung schulischen Lernens (Dewey 1916/64; Heymann 1996).
Seit den 1990er Jahren wird zunehmend davon ausgegangen, dass Wissen nur in einem aktiven Konstruktionsprozess beim Lernenden mit situativem Kontextbezug entstehen kann.
Daraus entstand das Konzept des situierten Lernens, dass sich je nach Autor mehr oder minder an den Konstruktivismus als Erkenntnistheorie anlehnt. Die konstruktivistische Lerntheorie des interaktionistischen Konstruktivismus (nach Reich) plädiert insbesondere für Lernformen, in denen der Lehrer nicht bloß Wissensvermittler, sondern ein Lernprozessberater oder Lernbegleiter ist. Wichtig ist immer, unabhängig der gewählten Methode, die Transferfähigkeit des Wissens, es muss nachhaltig nutzbar sein und daher aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts findet der Konstruktivismus zunehmenden Eingang in die Methodikdiskussion. Vornehmlich Anwendung findet er in der Erwachsenen-, und Berfufsbildung, dies liegt meines Erachtens darin begründet, dass diese im Gegensatz zur Primar- und Sekundarschule, ein relativ freier Herrschaftsraum ist und sich daher auch innovative Methoden besser durchsetzen. Insgesamt gesehen erfolgt in Deutschland ein Umstellungsprozess weg von instruktionistischen hin zu konstruktivistischen Verfahren in allen Schultypen und Fächern. Doch eine konsequente Umsetzung aus den Erkenntnissen der modernen Lern-/Wissenspsychologie kann ich noch nicht feststellen.
Die wichtigsten Merkmale des Lernverständnisses einer neuen Lernkultur, die sicherlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben und stetig erweitert werden müssen, sind:
- Lernen ist ein eigenaktiver und konstruktiver Vorgang
- Lernen ist lebenslang Aufgabe
- Lernen findet auch außerhalb der Schule statt
- Informelles Lernen bietet viel Potenzial
- Lernen ist ein ganzheitlicher Prozess
- Lernen ist eigenverantwortlich
- Selbstverantwortetes Lernen braucht geeignete (individuelle) Hinführungen
- Lerninhalte müssen auf Sinnhaftigkeit und Anschlussfähigkeit geprüft werden
- Lernen muss selbstreflexiv sein
Freu mich auf Eure Kommentare
Tina
Sonntag, 9. November 2008
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